Die Schlacht im Hürtgenwald - III. Teil

Oberstleutnant
i.G. Klaus Hammel

VIII. Bewertung

Träger des Kampfes

Die Eintragungen in den KTB “28. US InfDiv greift auf Schmidt an” oder “116. PzDiv im Gegenangriff auf Vossenack” erwecken den Eindruck entsprechender Kräftekonzentrationen von Panzern, Infanterie oder Artillerie.

Wenn man Einzelheiten untersucht, stellt man jedoch fest, daß die 28. Division in Richtung Schmidt (Schwerpunkt!) zunächst nur fünf InfKp und die Masse von zwei schweren InfKp angesetzt hatte - also 1 000 bis 1 400 Mann aus einer Gefechtsstärke von ca. 25000 Mann (einschließlich der Verstärkungen).

Die PzGrenRgt der 116. PzDiv greifen mit sechs bis sieben Kompanien am 6. November auf Vossenack an, also ebenfalls mit einer Gesamtstärke von ca. 1 000 Mann. Bei der Verteidigung von Vossenack und Kommerscheidt sieht es ähnlich aus. Wenige Panzer-, Panzergrenadier- oder Infanteriekompanien, zuweilen auch Pioniere, bilden also die Stoßkraft im Angriff und den Rückhalt in der Verteidigung. Auf sie konzentrieren sich die Verluste, ausschlaggebend für den Erfolg im Gefecht ist ihre psychologische Verfassung, ihr inneres Gefüge, ihre “Motivation”.

Die 28. (US) InfDiv erleidet bei ihrem Einsatz im Hürtgenwald rund 6180 Mann Verluste. Das 112. InfRgt davon alleine 2100 Mann. Bemerkenswert ist dabei ein Anteil von rund 550 Mann “Ausfälle ohne Kampfeinwirkung”. Psychische Zusammenbrüche, Krankheiten, Unterkühlungen, der sogenannte “Grabenfuß”, aufgelaufene Füße durch nasse Stiefel mit nicht heilenden Wunden. Entsprachen und entspricht diesen Belastungen des Gefechts, so muß man heute noch fragen, - die Auswahl des Personals für die Kampftruppen hinsichtlich physischer und psychischer Belastbarkeit, das körperliche Training, der Ausbildungsstand und vor allem die persönliche Ausrüstung? Damals offensichtlich nicht.

Wie sieht es, heute aus mit dem allbekannten Problem des Personals für den “hinteren Kampfraum”, mit der psychischen Belastbarkeit des heutigen zivilisierten “westlichen” Menschen, dem alle Schwierigkeiten durch Wohlstands-gesellschaft und soziale Vorsorge aus dem Wege geräumt werden?

Schenken wir solchen Beschaffungs-vorhaben wie Schlafsack, Poncho, Kampfstiefel, Rucksack die gleiche Aufmerksamkeit, wie wir sie für Nachtsichtgeräte, ABC-Schutzbelüftung und andere technische Ausrüstung für selbstverständlich halten? Entscheidend für die Kampfkraft von Verbänden sind häufig nicht das modernste Großgerät, sondern solche “Nebensächlichkeiten” in der Ausrüstung und der Zusammenhalt der Truppe.


Führung

Die bereits angesprochene Untersuchung 23 über die US-Army in Vietnam weist nach, wie entscheidend für Zusammenhalt und dementsprechend Kampfkraft der “kleinen Gruppen” -Gruppe, Zug, Kompanie - das Beispiel der Führer ist und ihre Bereitschaft, die Belastungen des Kampfes zu tragen. Häufig halten bei den US-Einheiten zuerst die Führer den Belastungen des Kampfes nicht Stand. Col Petersen erscheint erstmals am 4. November bei seinem Regiment in Kommerscheidt, die Kommandeure der Pioniere müssen an den Einsatzort ihrer Einheiten befohlen werden. Umgekehrt nimmt General von Waidenburg, DivKdr der 116. PzDiv, unmittelbar am Angriff seines II./60 teil und setzt General Bruns, der DivKdr der 89. Div am 4. November sein Rgt 1055 selbst an. Hauptmann Brückner, Kommandeur der genannten Kampfgruppe, trägt von seinen Gängen vom Divisionsgefechtsstand selbst Verpflegungsbehälter nach vorn oder schleppt Marketenderware für seine Soldaten mit.

Innere Führung im Gefecht! Führung erfolgt von vorn, wo immer es geht, selbst im Zeitalter des “elektronischen Feldherrnhügels”. Die Möglichkeit des persönlichen Einwirkens auf die Truppe gleicht den Nachteil eingeschränkter Lagekenntnis - im Vergleich zum Verbleiben auf dem Gefechtsstand - aus.

Gefecht der verbundenen Waffen

Der Notwendigkeit des engen Zusammenwirkens der Truppengattungen werden die Amerikaner durch die Bildung der Regimentstruppen gerecht. Ähnlich verfahren die Deutschen. Gefecht der verbundenen Waffen bedeutet im Hürtgenwald vor allem das Zusammenwirken zwischen Infanterie, Pionieren und der Artillerie. Hierzu kommt auf der US-Seite - zumindest zeitweise - noch die Luftwaffe.

Panzer und Panzerjäger haben kampfentscheidende Bedeutung auf der Hochfläche von Schmidt.

Im Wald und beim Kampf um die Ortschaften sind sie eine Unterstützungswaffe der Infanterie, meist teileinheitsweise eingesetzt. Das stark gegliederte Gelände um Vossenack, Hürtgen und Schmidt würde auch heute keinen anderen Einsatz von Panzern zulassen. Wie häufig gibt es ähnliche Geländeverhältnisse in unseren GDP-Räumen?

Überall dort, wo der notwendige Verbund zwischen den Waffengattungen nicht hergestellt wird, bleibt der Erfolg im Gefecht aus: Fehlendes Zusammenwirken zwischen US-Panzern/Panzerjägern und Infanterie in Vossenack oder Kommerscheidt sowie beim Angriff des II. (GE) PzRgt 16 am 4. November auf Kommerscheidt. Ein Zusammenwirken zwischen dem 112. InfRgt in Vossenack und Kommerscheidt und den Pionieren in der Kall-Schlucht erfolgt zu keiner Zeit

HORIZONTAL FLOURISH LINE

Quelle: HEER - “Vor 40 Jahren” - Truppenpraxis 10/84 - Oberstleutnant i. G. Klaus Hammel

Zum Seitenanfang

Sitemap