Die Schlacht im Hürtgenwald - III. Teil

Oberstleutnant
i.G. Klaus Hammel

IV Die Einnahme von Schmidt und deutsche Gegenmaßnahmen

Angriffsvorbereitungen

Wegen des vorgesehenen Angriffszeit-punktes für den Hauptangriff der 1.(US) Armee am 5. November war für den Angriffsbeginn der 28. (US) InfDiv als spätester Termin der 31. Oktober bestimmt worden. Wie schon bei der 9. (US) InfDiv im Oktober, machte jedoch das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Wegen des schlechten Wetters war ein Einsatz der US-Luftwaffe unmöglich. Für das Abriegeln des Gefechtsfeldes war es jedoch als entscheidend angesehen worden, das Vorführen von deutschen gepanzerten Reserven im Zuge des Rur-Abschnittes zu verhindern. Darüber hinaus sollte die deutsche Artilleriebeobachtung auf den Höhen Brandenberg-Bergstein und Schmidt vor allem auch durch die Luftwaffe ausgeschaltet werden. So wurde der Angriffsbeginn auf den 2. November verschoben. Doch auch am Morgen des 2. November war mit Luftwaffenunterstützung nicht zu rechnen: tiefliegende Wolken, leichter Nieselregen, Temperaturen knapp über Null Grad. Ein weiteres Aufschieben war nicht möglich.

Während um H-Hour (09.00 h) das 109. InfRgt auf Hürtgen und das II/112 auf Vossenack anzutreten hatten, war für die Masse des 112. Rgt und das 110. InfRgt der Angriffsbeginn auf H + 3 festgelegt.

Die amerikanische Artillerie hatte mit der Feuervorbereitung um 08.00 Uhr am Morgen des 2. November begonnen. Innerhalb einer Stunde wurden durch die Divisions- und Korpsartillerie 12000 Schuß auf das Angriffsgelände verschossen. 6

Angriff des 109. und des 110. (US) Infanterieregiments

Während ein Bataillon des 109. Rgt immerhin im Waldgelände westlich der Höhenstraße (B 399) bis zum Waldrand südwestlich Hürtgen vordringen konnte - das rechte Bataillon war auf ein ausgedehntes Minenfeld 7 hart westlich der Straße aufgelaufen und sah angesichts stärkerer deutscher Sicherungen keine Möglichkeiten es zu überwinden - war das 110. InfRgt praktisch über seine Ausgangsstellung nicht hinausgekommen. Die Artillerievorbereitung hatte sich gegenüber der Bunkerlinie Raffelsbrand (dort ein Bataillon des InfRgt 983) und den ausgebauten Stellungen als wirkungslos erwiesen. Die Deutschen hatten ihre Sperren und Hindernisse weiter vervollkommnet. Zum Ausschalten der Bunker fehlten Panzer für den Beschüß im direkten Richten. Trotz der Unterstützung durch das 1340. Combat EngrBtl fluteten die bereits am ersten Angriffstag stark dezimierten Infanteriekompanien am Abend des 2. November zurück.

Neben dem Widerstand der deutschen Verteidiger hatten beide Regimenter erhebliche Schwierigkeiten im ausgedehnten Wald Richtung und Zusammenhalt zu wahren. Ganze Züge verirren sich und gehen verloren. Dichtes, dschungelartiges Unterholz, wassergefüllte Trichter, zersplitterte Baumstümpfe und umgestürzte Bäume, in Verbindung mit dichten, ausgedehnten Drahthindernissen und versteckten Ladungen, bilden ein undurchdringliches Gewirr. Verbindungen innerhalb der US-Verbände und zur Artillerie bestehen nur sporadisch. Die Deutschen verfügen durch das Festungsfernmeldenetz über gute Verbindungen. Wo die Teileinheiten ohne Zusammenhang vorgehen, tauchen im Rücken immer wieder Deutsche auf, überfallen einzelne Gruppen, verwickeln sie in Nahkämpfe und besetzen Stellungen wieder, über die die vordersten Teile schon weiter vorgedrungen waren.

Diese Situation ändert sich die nächsten Tage im wesentlichen nicht. Das 109. InfRgt hat sich in einen in Richtung Hürtgen vorspringenden Frontbogen hineingeschoben, der mehr und mehr das Ziel deutscher Gegenangriffe wird: meist stoßtruppenartig oder mit Jagdkommandos vorgetragen (Skizze 2).

Das 110. Rgt bleibt mit dem II. und III. Bataillon auch noch an der Bunkergruppe Raffelsbrand hängen als am 4. November das I. Bataillon - bisher Divisionsreserve - nach einem Flankenmanöver aus Vossenack nach Süden angreift und Simonskall nimmt. Die 28. Inf-Div hat damit nichts erreicht, nur ihre letzte infanteristische Reserve eingesetzt

Das II./112. (US) InfRgt

Das II./112. trat um 09.00 Uhr am 2. November mit je einer Kompanie beiderseits der Angriffsachse - der Hauptstraße von Vossenack - an. Eine weitere InfKp folgte als Reserve, bzw. zum Säubern der Ortschaft von stehengebliebenen Feindteilen. Das Bataillon war durch die C-Kp des 707. PzBtl verstärkt.

Die Artillerie hatte gute “Arbeit” geleistet: Zerschlagen, betäubt vom niederschmetterndem Lärm der Detonantionen, abgekämpft, leisteten die deutschen Verteidiger kaum mehr Widerstand. Gehalten wurde Vossenack von einem weiteren schwachen Bataillon des InfRgt 983, Stärke etwa 150 Mann, Kp-Stärken etwa 30 bis 50 Mann.

So erlitten die Männer des II. Btl anfangs nur Verluste durch die deutsche Artillerie, durch Mörser oder durch nicht erkundete bzw. schlecht markierte deutsche oder eigene Minenfelder. Im Ort verteidigten sich einzelne Stützpunkte, das Gefecht lebte aber meist erst auf, nachdem die Spitzen-Kompanien durchgezogen waren, und die Reservekompanie die Häuser nach verstecktem Feind durchsuchte. Gegen Mittag hatte das II./112 sein Angriffsziel, die Nordostnase von Vossenack, ohne große Schwierigkeiten genommen, und richtete sich auf den offenen Hängen halbkreisförmig um die Ortschaft zur Verteidigung ein (Skizze 2).

  • Skizze 2: Lage am 4.11.44 morgens.
    Skizze 2: Lage am 4.11.44 morgens.
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Das 112. Infanterieregiment am 2. November

Das 112. InfRgt (-1) beabsichtigte, mit zwei Bataillonen nacheinander (Reihenfolge I./112, III./112) die Ablauflinie bei Richelskaul zu überschreiten, im Zuge des bedeckten Richelsbachtals in den Kall-Grund hinabzusteigen, die Kall bei der Mestrenger Mühle zu überwinden, um dann die steil aufragenden Hänge (Höhenunterschied bis zu 200 m) nach Kommerscheidt hinaufzusteigen, um nacheinander die Ortschaften Kommerscheidt und Schmidt zu nehmen. Kurz nach dem überschreiten der Ablauflinie - heute B 399 - wurde der Spitzenzug der vorne marschierenden B-Kp/112 8 im Richelsbach-Grund aus den nördlichen Waldrändern (heute etwa Richtung Ehrenfriedhof Vossenack) mit MG- und Gewehrfeuer beschossen. Der Spitzenzug blieb liegen. Der Versuch des KpChefs der B-Kp, weitere Züge zu entwickeln, scheiterte. Auch die B-Kp blieb liegen. Mit ihr das gesamte I/112, dahinter auch das III./112. Es wurde weder Artillerie angefordert noch Panzerunterstützung, weder BtlKdr noch RgtKdr (Col Petersen) griffen ein. Mit Einbruch der Dunkelheit wurde das gesamte Rgt auf die Ausgangsstellung zurückgenommen. 9

Man beabsichtigte nun, nachdem Vossenack gefallen war, das Regiment am 3. November durch Vossenack durchzuführen und etwa ab der Kirche V. abbiegend nach Süden über den Kall-Grund auf Schmidt vorstoßen zu lassen.

Mit dem Angriffsbeginn ab dem 2. November waren zumindest die Deutschen alarmiert und konnten reagieren. Durch den Zeitverlust eines ganzen Tages für die Amerikaner konnte sofort nach dem 3. November - als Schmidt doch noch durch das 112. Rgt eingenommen wurde - der deutsche Gegenangriff beginnen, da ja am 2./3. November bereits die Vorbereitungen angelaufen waren. Wäre Schmidt am 2. November genommen worden, so hätte umgekehrt der ganze 3. November für Verteidigungsvorbereitungen zur Verfügung gestanden.

DEUTSCHE BEVÖLKERUNG FLÜCHTET


Einnahme von Schmidt am 3. November 1944

Am Morgen des 3. November stellte sich das III./112, nunmehr Spitze, im Zuge der Ortsstraße V. bereit. Dem III. Btl war die A-Kp/707. PzBtl zugeteilt. Mit Angriffsbeginn (07.00 h) fuhren diese Panzer auf die offene Hochfläche zwischen Ortschaft und den nördlichen Waldeingängen zum Kall-Tal, um im artilleristischen Einsatz - Bekämpfen von Zielen in Kommerscheidt und Schmidt - das Vorgehen der Infanteriebataillone zu unterstützen. Da weder Erkundung noch Aufklärung in der Nacht 2./3. November angesetzt worden war, fuhren sofort einige Panzer auf Minen und fielen aus

Die Kompanien des III./112 marschierten, nur wenig behindert durch deutschen Widerstand, über die steilen Hänge und durch den Kall-Grund (vorne die L- und K-Kp/112) - einige deutsche Trupps oder Gruppen ergaben sich oder wurden vertrieben - und erreichten nach dem steilen Anstieg aus dem Kall-Tal bereits um 13.00 h Kommerscheidt. Im Ort kaum Widerstand. Das Bataillon stieß weiter vor und überwältigte wieder, ohne nennenswerten Widerstand, offensichtlich rückwärtige Dienste eines deutschen Truppenteils in Schmidt. Nur im Südostteil der Ortschaft (Richtung Hasenfeld) hielten verbissen einige Teile noch fest. Das III. Btl bezog Rundum-Stellung an den Ortsrändern, Schwerpunkt im Zuge der Straßen, verpflegte und ging zur Ruhe über. Es wurde weder aufgeklärt noch Sperren angelegt, offensichtlich kam kein Sperrmaterial nach. Die Dunkelheit verhinderte auch ein abgestimmtes und taktisch günstiges Einrichten zur Verteidigung. 60 PzMinen, die ein gepanzertes Nachschubfahrzeug vorgebracht hatte, wurden offen verlegt.

Das I./112, das dem III. Btl folgte, hatte - ebenfalls nur behindert durch Artillerie oder Mörserfeuer - am Nachmittag Kommerscheidt erreicht und ging nicht weiter vor. Am nördlichen Waldrand bezog die C-Kp dieses Bataillons eine Stellung und grub sich ein. Da die B-Kp und ein Zug der schweren Kompanie (D-Kp) bei Richelskaul verblieben war, um eine Lücke zum 110. Rgt zu überwachen, standen in Kommerscheidt nur die A-Kp und weitere Teile der D-Kp zur Verfügung. Obwohl Schmidt das Angriffsziel des gesamten Regiments war, erhoben weder der RgtKdr noch die Division Einwände, als ein Bataillon in Kommerscheidt eine Stellung bezog, noch beanstandeten der RgtKdr oder BtlKdr, daß zusätzlich eine weitere Kompanie noch weiter zurück sich zur Verteidigung einrichtete. Der RgtKdr selbst war in Germeter verblieben. Eine “Verteidigung in der Tiefe” wurde erreicht. 10 Man kann auch sagen, der Rückzug war schon vorbereitet (Skizze 2).

Die schnellen Angriffserfolge der Amerikaner am 2./3. November zeigten, daß die 275. (GE)lnfDiv nicht in der Lage war, alleine länger zu halten, geschweige denn den Einbruch selbst zu bereinigen. Aus deutscher Sicht drohte eine Wegnahme der Rur-Dämme mit den entsprechenden weitreichenden Folgen für eine weitere Verteidigung westlich der Rur.

Noch in der Nacht 2./3. November wurde über HGr B/7. Armee die Alarmtruppe der 116. PzDiv, das verstärkte PzGrenRgt 156, in den Raum Hürtgen in Marsch gesetzt. Die Masse der 116. PzDiv sollte in der Nacht (Fliegergefahr!) 3./4. November vormarschieren und am 4. November mit dem Gegenangriff beginnen. Diese Entscheidung fiel im Laufe des 3. November. Zunächst war ein Stoß im Zuge der Höhenstraße Hürtgen-Germeter (Angriff Wegelein) geplant, um alle im Raum Vossenack stehenden US-Kräfte abzuschneiden.

Folglich standen die PzGrenRgt 156 und 60 gegen den Feind im Raum Hürtgen/Vossenack, während die A.A. 116 den Auftrag erhielt, von Zweifallshammer (südlich Brandenberg) aus antretend im Zuge des Kall-Tals vorzustoßen, um die in Schmidt und Vossenack stehenden US-Verbände voneinander zu trennen.

Ohne dies selbst zu merken, war das III./ 112. (US)lnfRgt mit der Wegnahme von Schmidt in das bereits abgelöste und in einem Verfügungsraum ostwärts der Rur marschierende GrenRgt 1055 der 89. (GE)lnfDiv hineingestoßen. Ostwärts der Ortschaft befanden sich am Abend des 3. November das I. und III./ 1055, westlich davon war das abmarschierende II./1055 auf Sicherungen der Amerikaner aufgelaufen. Diese Kräfte standen nun sofort für einen Gegenangriff am Morgen des 4. November zur Verfügung. Wegen der tief eingeschnittenen Bachtäler rund um Vossenack war klar, daß Panzer nur auf der Hochfläche von Schmidt wirksam eingesetzt werden konnten. So wurde die 89. Inf-Div für den Gegenangriff am 4. November mit der SturmgeschützBrig 341 und, zunächst zumindest, mit Teilen des PzRgt 16, der II./16, verstärkt. Letztere konnte jedoch nicht vor dem Nachmittag des 4. November vor Schmidt zur Verfügung stehen. 11 Das GrenRgt 1056 sollte beschleunigt durch Teile der 272. VolksGrenDiv abgelöst werden. Das LXXIV. AK wurde vor allem durch zusätzliche Artillerieverbände, die 275. Inf-Div durch LwFestungseinheiten verstärkt. Bereits am 2. November war der Division das HPiBtl 253 - für den Infanterieeinsatz - zugeführt worden. Ein Gegenangriff dieses Bataillons im Raum Hürtgen am 3. November brachte zwar Anfangserfolge, schlug aber gegen die stärkeren Kräfte des 109. (US)lnfRgt nicht durch. 12

HORIZONTAL FLOURISH LINE

Quelle: HEER - “Vor 40 Jahren” - Truppenpraxis 10/84 - Oberstleutnant i. G. Klaus Hammel

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