Die Schlacht im Hürtgenwald - II. Teil

Oberstleutnant
i.G. Klaus Hammel

V. Kreuzung 471 und Kämpfe bis zum 15.10.

Bereinigung des Einbruchs Regiment Wegelein

Als das II./60 am 12.10. zum weiteren Angriff auf Pkt 471 antritt, wird es von einem örtlichen Gegenangriff der Rgt 253/983 getroffen. Der Angriff wird zwar abgewehrt, bis sich das II./60 jedoch wieder geordnet hat, ist der Tag vorbei. Am 13.10. nehmen die Kräfte des 60. Rgt endlich die Kreuzung Pkt 471 ein. Die umliegenden Bunker bleiben jedoch noch in deutscher Hand. Am 14.10. setzen sich die aufreibenden Nahkämpfe fort. Weder Artillerie noch Luftwaffe können eingreifen, da die Kräfte so eng miteinander verzahnt sind. Auf deutscher Seite eine kaum zu überblickende Vermischung der Verbände: Rgt 253, 983, PiBtl 275, PiBtl 353, dazu zwei Kompanien als Verstärkung vom linken Nachbarn, der 89. InfDiv. Oberst Schmitz, Kdr 983, übernimmt insgesamt das Kommando.

Besonders hart umkämpft sind die Bunker P1 (ehem. Pak-Schartenstand), 101-103 auf dem Peterberg und 104 süd-ostw. der Kreuzung. 18Bei 275 I.D.: Im Einsatzraum ... Bunkergruppe 101 bis 104 eingeschlossen. Pak-Schartenstand P1 mit 47 Verwundeten, die nicht mehr geborgen werden konnten, in Feindeshand gefallen. Entsatzversuch nicht durchgeschlagen. Besatzung Bunker 5/6 und 104 lehnen Aufforderung zur Übergabe ab.19 (Skizze 2a)

Ab 14.10. werden die Soldaten in den Bunkern von allen Seiten angegriffen, da mittlerweile das Btl I./47(-l) herangeführt wurde und von Westen her, also im Zuge der Höhenstraße, mit Unterstützung einer Kompanie mittlerer Panzer vorstößt. Panzer mit Räumschilden schaufeln unter Feuerschutz die Schießscharten der Bunker zu, die dann mit geballten Ladungen und Phosphorgranaten ausgeräuchert werden.

Bis zum 15.10. werden daraufhin die noch haltenden Kräfte in den Bunkern im Zuge der Höhenlinie Peterberg - Höhe 485 auf Raffelsbrand zurückgenommen. Danach tritt langsam Ruhe im Totenbruch und um Raffelsbrand ein. 20

VI. Abschluß

Ab 16.10. ist auch beim VII.(US)Korps klar, daß die 9. (US)InfDiv nicht mehr angriffsfähig ist.

Sie hat insgesamt 4 500 Mann verloren. Ihr Geländegewinn beträgt etwa 2,7 km. Die Verluste der Deutschen schätzen die Amerikaner auf etwa 2000 Gefallene und Verwundete, dazu etwa 1200 Gefangene.

„Auf der Grundlage dieser Statistik konnte sich keine Seite als eindeutiger Sieger bezeichnen. Der wahre Sieger schien der ausgedehnte, undurchdringliche, schwärzlich-grüne Ozean zu sein, der einfach die Überlegenheit der Amerikaner an Artillerie, Luftwaffe oder Panzern negierte und Kriegführung auf die primitivsten Formen zurückführte. Der Sieger bis dahin war der Hürtgenwald."

Die 275. InfDiv verblieb weiter in Stellung, wohingegen sich die Ablösung der 9. (US)InfDiv abzeichnete: “Mehr als eine US Division mußte später noch mit bitteren Gefühlen feststellen, daß es unmöglich war, länger als 10 Tage im Hürtgenwald zu kämpfen, ohne abgenutzt und aufgerieben zu sein.21

VII Bewertung

Abschließend soll für den Teil II eine Bewertung vorgenommen werden, einmal mit dem Ziel, Erkenntnisse herauszuarbeiten, die auch für die heutige Operationsführung noch von Bedeutung sein können, zum anderen, um die Faktoren zu nennen, die für das Ergebnis der damaligen Kampfhandlungen ausschlaggebend waren.

Führung

  1. Die 9. InfDiv hatte den Auftrag, Schmidt zu nehmen. Der Schwerpunkt hatte diesem Auftrag zu entsprechen, d. h. die Masse der Kräfte - Kampftruppen und Kampfunterstützungstruppen - hätte zum Erreichen des Angriffsziels eingesetzt werden müssen. Durch das Belassen des 47. Rgt im Raum Schevenhütte fehlte der Division bereits ein Drittel der infanteristischen Kampfkraft. Ein weiteres Regiment wird zum Stoß auf Raffelsbrand und Pkt 471 angesetzt. Von dem verbleibenden Infanterieregiment wiederum war ein Bataillon im Schutz der linken Flanke der Division gebunden. Ergebnis: von verfügbaren neun Infanteriebataillonen waren nur zwei auf das Angriffsziel angesetzt. Ein Schwerpunkt in der Pionierunterstützung beim 39. Rgt ist ebenfalls nicht zu erkennen. Eine noch so starke Feuerunterstützung zur Verstärkung im Schwerpunkt kann diese beiden Mängel nicht ausgleichen. 22

  2. General Schmidt und Sträube stellen fest, daß von den Amerikanern generell kaum Aufklärung betrieben wurde. Man griff dort an, wo es der Auftrag vorschrieb, ungeachtet davon, ob starke, schwache oder gar keine Kräfte gegenüberstanden. Nur kurz vor Angriffsbeginn erfolgte Gefechtsaufklärung, für die Deutschen meist ein sicheres Zeichen, daß etwas bevorstand. Die 28. PzAufklKp war zunächst Reserve, danach wurde sie zum Abriegeln des Einbruchs Rgt Wegelein eingesetzt!

  3. Trotz des weitgesteckten Angriffsziels Schmidt waren die Zwischenziele der Regimenter kurz gesteckt. Ein richtiger Entschluß im Waldkampf. Wenn sich jedoch örtliche Erfolge überraschend abzeichneten, wurde meist am “Plan” festgehalten und nicht entschlossen die Gunst der Lage ausgenutzt. Beispiele: Abwarten des Nachführens von Panzern vor Richelskaul und Germeter, das Verschieben der Einnahme von Vossenack. So war es der 275. Div immer wieder möglich, Aushilfen zu treffen und mit Krisensituationen fertig zu werden.

  4. Der Angriff des Rgt Wegelein scheiterte letzten Endes wegen unzureichender Vorbereitungen und Absprachen. Selbst unter Zeitdruck darf auf ein Mindestmaß an Vorbereitungen nicht verzichtet werden. Dies betrifft insbesondere die Erkundung/Aufklärung, Lageeinweisung durch die Stellungstruppe und die Regelung der Fernmeldeverbindungen. Hier sei an einen Ausspruch des ehem. KG des III. Korps, Gen Pöschl, aus einer Übungsbesprechung erinnert: “Männer, macht's langsam, wenn's pressiert.

  5. Die Art der Bildung von Reserven auf deutscher Seite kommt sehr bekannt vor: Das Armeekorps zieht Kräfte von den nichtangegriffenen 347. und 89. Div ab, Gen Schmidt bildet seine neuen Reserven aus den nichtangegriffenen Rgt 942 und 984. Dies wird jedoch dadurch erleichtert, daß die Amerikaner in diesen Abschnitten nicht einmal Ablenkungsangriffe führen.

Kampfunterstützung

  1. Den Kampfunterstützungstruppen Pioniere und Artillerie kommt in diesem Gelände und unter diesen Verhältnissen kampfentscheidende Bedeutung zu. Ohne Pionierunterstützung sind Bewegungen, Versorgung, Anlage von Feldstellungen nicht möglich. Pioniere werden als Kampfpioniere eingesetzt: Kampf im Wald ist Kampf um Sperren, Hindernisse, Deckungen im Zuge von Schneisen und Wegen. Es fällt auf, daß die US-Pioniere Sperren und Hindernisse meist erst hinter der Infanterie räumen, nicht vor ihr.

  2. Trotz der eingeschränkten Beobachtung im Wald ist der Abwehrerfolg der Deutschen vor allem auf die ausgezeichnete Artillerie-Unterstützung zurückzuführen. Die Anzahl der Rohre ist weniger wichtig als ein hoher Munitionseinsatz. Hinzu kommen eine Konzentration aller möglichen Kaliber auf einen Raum und eine flexible Feuerleitung. Ausschlaggebend wieder dabei die Fernmeldeverbindungen durch das noch intakte Festungsfernmeldenetz. Durch die schematische, wenig flexible Feuerleitung der Divisionsartillerie verpufft, trotz enormen Munitionseinsatzes, die Wirkung der US-Artillerie.

Waldkampf

  1. Waldkampf ist Kampf auf nahe und nächste Entfernung. Neben dem Ortskampf stellt er die härtesten Forderungen an Physis und Psyche der Kämpfer. Der Waldkampf fordert besonders gut ausgebildete Soldaten, eine hohe Personalstärke und viele Waffensysteme für den Einsatz auf kurze Entfernungen. Besonders bewährt haben sich auf deutscher Seite Panzerfäuste und “Ofenrohre” mit kurzen Schußentfernungen entlang der Wege, Rollbahnen oder Schneisen.

  2. Wegen der reduzierten Wirkung der weitreichenden Artillerie muß die Infanterie über eigene Mittel zur Feuerunterstützung, leichte und mittlere Mörser, verfügen. Auch hier wieder: weniger die Rohrzahl ist entscheidend, vielmehr die verfügbare Munition. Besonders bewährt haben sich auf US-Seite Panzer, auf deutscher Seite Sturmgeschütze zur unmittelbaren Feuerunterstützung der Infanterie im direkten Richten. Bunker, Feind in Feldstellungen oder hinter Dekkungen sind nur so auszuschalten. Dabei wurden Panzer/ Sturmgeschütze einzeln oder gruppenweise unmittelbar den Zügen und Kompanien zugeteilt.

  3. Erneut: enges Zusammenwirken Pioniere-Kampftruppen. Für den Verteidiger bei der Anlage von Stellungen, Sperren, Hindernissen, zum Einbau von versteckten Ladungen, beim Anlegen von Hinterhalten. Für den Angreifer beim Räumen von Sperren, beim Ausschalten von Bunkern und von Feind in Feldstellungen.

  4. Waldkampf bedeutet den aufgelockerten Einsatz in der kleinen Kampfgemeinschaft, den Kampf von Trupps, Gruppen und Zügen in der Hand beherzter Führer, den Angriff durch das jägermäßige Einsickern in den Feind, das Halten von isolierten Stellungen auch in der Einschließung. Dies verlangt: hohe Selbständigkeit der Führer, eine “weite Fahrkarte” durch die Auftragstaktik, aber auch besondere Maßnahmen der Verbindungen. Aufgrund ihrer mangelnden Erfahrung und der meist mechanischen Vorgehensweise waren die Amerikaner hierin den Deutschen häufig unterlegen.

HORIZONTAL FLOURISH LINE

Quelle: HEER - “Vor 40 Jahren” - Truppenpraxis 10/84 - Oberstleutnant i. G. Klaus Hammel

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