Die Schlacht im Hürtgenwald - I. Teil

Oberstleutnant
i.G. Klaus Hammel

IV. Deutsche Kräfte im Westwall

Allgemeines

Aufgrund des Zustandes des deutschen Westheeres, der zunächst unterschiedlichen Verantwortungen zwischen den Wehrkreisen (in diesem Fall Wehrkreis VI in Münster) und der Truppe, ist die Besetzung des Westwalls etwa ab Ende August bis Ende September nur sehr schwierig nachzuvollziehen. Die Besatzung bestand aus Versprengten des Westheeres, die im für unsere Betrachtung wichtigen Abschnitt südlich Aachen durch eine Auffangorganisation (Oberst Klosterkaemper) der 7. Armee gesammelt und notdürftig in Verbände und Einheiten aufgeteilt wurden, aus Truppenteilen des Ersatzheeres des Wehrkreises VI und aus zerschlagenen Großverbänden des Westheeres. Die Befehlsverhältnisse ändern sich beinahe täglich. Wie sich die Besetzung seit dem Befehl zur "Sicherung der deutschen Weststellung und des Westwalls" (1. September 1944) entwickelte, war durch den Verfasser nicht schlüssig nachvollziehbar. Klarer wird der Sachstand ab 12. September 1944, als das “Korps Feldt” unter dem General der Kavallerie Feldt die Sicherung im Abschnitt zwischen Nimwegen und der Schnee-Eifel übernahm. Zu diesem Zeitpunkt war die Festungslinie jedoch bereits in die Verantwortung des OB West übergegangen. Welche Zuständigkeiten dieses Korps dann im Bereich der 7. Armee hatte (s. übernächsten Abschnitt, z. B. gegenüber der 353. Infanteriedivision) war nicht feststellbar. 40a

Grundriß eines Westwallbunkers
Skizze 3: Grundriß eines Westwallbunkers, Gruppenunterstand mit angebautem Kampfstand
(Typ Regelbau 10). (Nach Manfred Gross, "Der Westwall zwischen Niederrhein und Schnee-Eifel")


Raum Hürtgenwald

Im folgenden wird nur auf die Truppen eingegangen, die südlich von Aachen, also im weitesten Sinne im Bereich des Hürtgenwaldes eingesetzt waren. Die hier verteidigenden Kräfte unterstanden zunächst einer Sicherungsdivision mit der Nr526 aus dem Befehlsbereich des Wehrkreises VI.

Diese Division verfügte über das Grenadierersatz- und Ausbildungsregiment 253, das mit drei oder vier Bataillonen (328,453 und 473, evtl. auch Btl 454), Stärke ca. 3 800 Mann, südostwärts von Aachen (Gefechtsstand in Büsbach, südlich Stolberg) eingesetzt war. Im Raum Monschau und südlich davon standen noch die Grenadierersatz- und Ausbildungsregimenter 416 und 536. Diese Regimenter hatten eine Stärke (15. September 1944) von ca. 2000 bzw. 2700 Mann.

Südlich Aachen wurde (Zeitpunkt ab 10. September 1944?) die 353. InfDiv eingeschoben, der das gesamte GrenRgt 253 unterstellt wurde. Dazu traten das LandesschützenAusbBtl II/6 (ca. 560 Mann), und das LandesschützenBtl I/9. Weitere Kräfte - das LandesschützenBtl III/6, Festungs-MGBtl 33 und 34, Festungs-Pak Abt 503 und 504 (Flak 8.8 cm). StellungsArt Abt 501 (Mörser 22 cm?), dazu LuftwaffenfestungsBtl - befanden sich in der Zuführung. Den Raum südlich Aachen hatte das LXXIV Armeekorps (General Straube) übernommen, das hier nun die gesamten Kämpfe im Hürtgenwald bis in das Jahr 1945 hin durchfechten sollte. Rechte Grenze zum LXXXI. Armeekorps im Zeitraum 12. bis 15. September etwa die Linie Roetgen - Schmidt, linke Grenze zum 1. SS-PzKorps Losheim.

Ab 16. September wurde die rechte Grenze etwa in die Linie Zweifall - Schevenhütte verlegt. so daß die 353. InfDiv, bis­her LXXXI. AK. dem LXXIV. AK unterstellt wurde. Für den Pioniereinsatz (Wiederaufrüsten des Westwalls, Anlage von Sperren und Feldbefestigungen) war im Gefechtsstreifen des LXXIV. Armeekorps das HPiBtl 253 (zunächst ErsBtl) eingesetzt. Nach dem 16. September verfügte das LXXIV. AK von Nord nach Süd über die 353., 89. und 347. InfDiv. Die Div 526 wurde wieder herausgezogen, ihre unterstellten Truppen den InfDiv unterstellt. Die Zusammenarbeitsverhältnisse mit dem Korps Feldt sind unklar. 41

Neuordnung

Mit dem Einfließen der Fronttruppen (116. PzDiv und 9. PzDiv im Raum ostwärts und südostwärts von Aachen) verlegte die 353. InfDiv in die 2. Westwallstellung (Gefechtsstand in Rath, südlich Düren), um diese im Raum Vicht-Zweifall zur Verteidigung vorzubereiten. Ein Teil der bisher unterstellten Truppen verblieb offenbar beim "Kampfkommandanten Aachen". Bei der 353. InfDiv sollen nur die LandesschützenBtl II/6, III/6 und I/9 sowie das Ersatz- und AubBtl 453 des Rgt 253 verblieben sein. Die anderen Div des LXXIV. AK - 89. InfDiv und 347. InfDiv - umfaßten zu diesem Zeitpunkt nur Kampfgruppen. Sie wurden, wie andere Div auch, nach und nach notdürftig aufgefüllt. So z.B. die 89. InfDiv im Oktober 1944 mit dem bereits erwähnten Rgt 416 im Raum Monschau. 42

Kampfkraft

Truppen erschöpfen sich nicht in Zahlen über Personen. Bewaffnung oder Ausrüstungsgegenstände. Entscheidend sind die psychologische Verfassung und der Ausbildungsstand. Die Kampfkraft der hier geschilderten Truppenteile war erwartungsgemäß gering. Die Ausbildungseinheiten und -verbände umfaßten zwar erfahrene Stämme von Offizieren und Unteroffizieren, die unausgebildeten Soldaten waren jedoch mehr begeistert als kriegsverwendugsfähig. Das Festungs-MGBtl 34 (ca. 700 Mann) z.B. verfügte über Soldaten, die nur drei Tage ausgebildet worden waren. Die LandesschützenBtl bestanden aus 50 bis 60 Jahre alten Soldaten, die bestenfalls für "Bewachungsaufaben im rückwärtigen Gebiet geeignet waren". Das Personal der Luftwaffeneinheiten- bestand zwar aus besten jungen Soldaten. Unteroffizieren und Offizieren, hatte aber keinerlei Erfahrungen im Infanteriekampf. Schwere Waffen fehlten fast in allen Verbänden vollständig. 43

Während es im Bereich der Truppe also sehr ungünstig aussah, konnte der Blick auf die Führungsstruktur etwas optimistischer stimmen. Gen v. Gersdorff. der Chef der 7. Armee, schreibt, daß die Führungsstruktur. Stäbe von der Armee, zum Teil bis hinunter zu den Regimentern, beim Rückzug voll intakt geblieben war. Die Divisionen verfügten noch über
Nachrichteneinheiten und teilweise über die Rückwärtigen Dienste, zum Teil wurden alte Stämme an Genesenden und Versprengten im Laufe der Zeit wieder zugeführt.

Beim Rückzug waren die Gefechtsstreifen bereits in den Westwall hinein verlängert worden, so daß die Truppe in den Streifen zurückging, die sie später verteidigen sollte und sich die Sicherungstruppen eingliedern konnte.

So war das "Baugerüst" intakt und mußte nur mit "Baustoff", d. h. Verstärkungen, gefüllt werden. Aber woher sollten die Verstärkungen kommen? Alles hing davon ab. etwas Zeit für das Einrichten und den Aufbau einer Verteidigung zu gewinnen.

HORIZONTAL FLOURISH LINE

Quelle: HEER - “Vor 40 Jahren” - Truppenpraxis 10/84 - Oberstleutnant i. G. Klaus Hammel

Zum Seitenanfang

Sitemap